20. Januar 2010

Haiti bebt, und plötzlich ist alles ganz anders?

Haiti, ehemals einträglichste Kolonie von Frankreich, ist in den letzten Tagen in aller Munde. Die Medien überbieten sich gegenseitig mit Bildern von Grauen und Armut. Aber warum braucht es ein Erdbeben, um die fürchterlichen Bedingungen, unter denen die Haitianer leben müssen, in unser Bewusstsein zu rücken?
Von den rund neun Millionen Einwohnern lebten bereits vor dem Erdbeben über 65 Prozent der Bevölkerung unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Rund 50 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sind arbeitslos. Ein Drittel der Menschen erreicht nicht einmal das 35.ste Lebensjahr, denn die Hälfte der Menschen ist unterernährt und nur Wenige haben Zugang zu sauberen Trinkwasser. Sieben Millionen trinken aus hochgiftigen Tümpeln. In den Slums gilt das Recht des Stärkeren. 225.000 Kinder leben auf Haiti als Sklaven. Die Toten liegen oft tagelang auf der Straße. Haiti hat die höchsten Durchseuchungszahlen für AIDS in der Karibik. In vielen Berichten, auch im Internet, wird erzählt, das die Menschen in Haiti Lehm mit Butter vermischen, um diese 'Lehmkuchen' zu essen. In Wahrheit kann sich dort kaum jemand Butter leisten. Das 'Rezept' für diese 'Lehmkuchen' besteht aus Lehm, billiger Margarine und etwas Salz, ein ungesundes Gemisch, welches schließlich in der Sonne getrocknet wird. Ein Lehrer verdient am Collège Suisse (einer Schweizer Hilfseinrichtung!) rund 60 haitianische Dollar pro Monat.  (Das sollen ca. 13 Schweizer Franken sein). Leitwährung ist der US-Dollar. Dafür bekommt man fast alles. Der Haitianische Gulden hat keine signifikante Bedeutung. Weil ihnen der Gulden zu profan ist, haben die Haitianer einfach vier Gulden zu einem Haiti-Dollar gemacht, (den es offiziell gar nicht gibt!). Und ein US-Dollar sind wiederum (mehr oder weniger) 16 Haitianische Dollar. Das BIP (Brutto-Inlands-Produkt), betrug 2008 690 US-Dollar pro Kopf. Umgerechnet 1,89 Dollar am Tag. Wobei, wie das bei Statistiken so ist, hat von zehn Leuten, einer zehn Euro, so hat statistisch jeder einen Euro.
Wobei ich hier keinesfalls den Eindruck erwecken will, die jetzt angelaufene Hilfe für Haiti schlecht machen zu wollen. Aber anscheinend braucht es immer erst ein großes Unglück, z. B.  in Form einer Umwelt-Katastrophe, um uns Westler zur Hilfe zu bewegen. Also einen, nach unseren Maßstäben, moralisch vertretbaren Grund! Helfen, einfach weil es jemanden schlecht geht? Selber schuld! Verhungernde Menschen, weil vom Neokolonialismus ausgeplündert? Sollen doch arbeiten gehen! Abgeschlachtet von diktatorischen (politischen oder auch religiösen) Kräften? Sollen sich doch selber helfen! Die Liste könnte man beliebig verlängern. Die Beispiele dafür auch: Darfur, Mynmar/Birma usw. Verfolgt man die Debatten in Deutschland über innenpolitische Themen, beispielweise Hartz4, Arbeitslose, Arbeitnehmerrechte, tendiert leider die allgemeine Meinung immer mehr zu 'Jeder für sich, und ich zuerst'.
(Billow&Checkdisk)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen